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Kalter Samstag

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Kotelett gebraten

2.5/5

Kalter Samstag

5/5

Kalter Samstag in Stichpunkten:

  • Koteletten in nassem Zeitungspapier in der Glut eines Lagerfeuers gegart
  • Tradition des westlichen Nordsaarlands am ersten Samstag nach Buß und Bettag
  • Kotletten als alternativer Plural von Kotlett
Kalter Samstag: Ist einen halben Wald für ein paar Koteletten zu verbrennen wie Reißbrettstifte mit dem Vorschlaghammer einzuschlagen?

Ende November ziehen im nordwestlichen Saarland die Menschen in den Wald, um Feuer zu machen und Fleisch in Zeitungspapier zu garen. Klingt ungewöhnlich, ist aber im Saarland rund um Saarhölzbach seit Generationen Tradition. Der kalte Samstag, wie er heute genannt wird, hat seine Wurzeln in einer Zeit, als die Menschen noch selbst für ihren Wintervorrat Holz sammeln mussten. Um neben der normalen Arbeit den ganzen Tag im Wald verbringen zu können, brauchte es dazu am besten einen freien Tag. Das war früher der Buß- und Bettag, und da der heute kein gesetzlicher Feiertag mehr ist, wird überwiegend auf den darauffolgenden Samstag ausgewichen, um dieses besondere Ritual zu pflegen. Aber das wird auch nicht so dogmatisch gesehen – Hauptsache kalt und so zwischen November und Februar.

Das Herzstück des kalten Samstags ist das Braten der Koteletten.

Traditionell werden sie vom Schweinenacken oder Schweinekamm geschnitten. Das Fleisch wird großzügig mit Salz, Pfeffer und reichlich Zwiebeln gewürzt und mariniert. Die grob geschnittenen Zwiebeln ergeben nicht nur die erste Beilage, sondern geben dem Fleisch auch eine leichte Süße und sorgen für ein komplexes Aroma. Klassisch werden nur Salz, Pfeffer und Zwiebeln verwendet, aber es gibt auch Varianten wie beispielsweise mit Senf, oder mit Kalbfleisch. Am besten bereitet man die Koteletten am Vortag zu, damit sich die Aromen optimal entfalten können. Die Fleischstücke sollten dabei etwas dicker und vor allem gleichmäßig dick geschnitten sein, um sicherzustellen, dass sie saftig bleiben und gleichzeitig gar werden.

Bevor die Koteletten auf das Feuer gelegt werden,

werden sie zuerst in eine Lage Backpapier (früher Butterbrotpapier) und dann in drei Lagen Zeitungspapier eingewickelt (wichtig ist hierbei, dass man die Saarbrücker Zeitung verwendet und nicht etwa den Trierer Volksfreund). Diese Verpackung wird mit Draht verschlossen und vor dem Garen in Wasser getaucht. Die Papierhülle schützt das Fleisch vor direkter Hitze, außerdem hält sie die Feuchtigkeit und die Aromen im Inneren und sorgt für eine gleichmäßige Garung. Dabei wird das Fleisch am kalten Samstag, im Gegensatz zu herkömmlichen Grillgerichten, nicht angebraten, sondern eher in einem Bett aus Zwiebeln gedünstet. Dadurch entsteht dann auch keine knusprige Kruste, sondern eine zarte, saftige Konsistenz. Die wenigen Röstaromen, die sich entwickeln, stammen hauptsächlich von den Zwiebeln, die an den Rändern leicht karamellisieren können.

Neben den Koteletten spielt am kalten Samstags das Feuer eine große Rolle.

Ein mächtiges Lagerfeuer wird schon am frühen Morgen entfacht, um die notwendige Glut für das Garen der Koteletten zu erzeugen. Die Holzart spielt keine entscheidende Rolle , jedoch ist dickes Holz von Vorteil, um eine langanhaltende Glut zu erzeugen. Es kann leicht mehrere Stunden dauern, bis sich ein ausreichend massives Glutbett gebildet hat. Direkt am Feuer wird es extrem heiß. Beim Aufbau des Feuers, beim Einlegen der Päckchen und beim Zusammenschieben der Glut ist daher Vorsicht geboten. Langestielige Werkzeuge wie Schaufeln, Rechen und Mistgabeln sind unverzichtbar, um sich nicht zu verbrennen. Die Hitze ist so intensiv, dass die Augenbrauen Gefahr laufen, versengt zu werden.

Zum tatsächlichen „Braten“ der Koteletten wird das Feuer auseinander gezogen, die Zeitungspäckchen werden dann  tief in die heiße Glut gelegt und vollständig mit Glut bedeckt. Es ist wichtig, dass die Päckchen von allen Seiten von der Glut umschlossen sind, um jeglichen Luftstrom zu vermeiden, gleichzeitig muss aber auch darauf geachtet werden, kein zu hohes Gewicht auf den Päckchen lasten zu lassen. Daumendicke Koteletten benötigen in der Regel etwa 75 Minuten Garzeit. Nach dieser Zeit wir die Glut erneut auseinander gezogen, damit die einzelnen Kotelettpäckchen gesucht werden können (hoffentlich vorher abgezählt – weil in der Hitzehölle aus Asche und Glut finden sich die verkokelten Zeitungspäckchen nicht immer so einfach wie man es gerne hätte). Sind alle Päckchen geborgen, werden sie an Ort und Stelle im Wald geöffnet und mit Brot und den leicht angeschmorten Zwiebeln verspeist.

Der kalte Samstag ist aber viel mehr als nur ein kulinarisches Ereignis.

Er ist ein traditionelles Fest der Gemeinschaft, das sich über die Jahrzehnte kaum verändert hat und die Identität der Region mitprägt. Die Gruppen, die sich zum gemeinsamen Feiern treffen, sind oft miteinander verwandt oder verbunden durch eine lange Freundschaft. Die gemeinsame Arbeit am Feuer, die Zubereitung der Speisen und das anschließende Essen stärken das Gemeinschaftsgefühl und tragen zur Erhaltung des sozialen Zusammenhalts bei. Sowohl in der Vorbereitung, als natürlich noch viel mehr in der Durchführung kommen mit dem kalten Samstag Menschen aller Altersgruppen zusammen, um gemeinsam, zu planen, vorzubereiten, zu arbeiten, zu essen und zu feiern. Eines der schönsten Merkmale des kalten Samstags ist seine Beständigkeit. Trotz der vielen gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte hat sich dieser Brauch kaum verändert.

Zutaten für in Zeitungspapier „gebratene“ Koteletten am kalten Samstag:
  • Daumendicke Schweinekotelett vom Nacken (durchwachsen) oder vom Kamm (mager)
  • Pfeffer, Salz
  • Zwiebeln
  • Backpapier
  • Saarbrücker Zeitung
  • Draht zum Verschließen
  • nach Geschmack Senf
Zubereitung:

Am Vortag (kalter Freitag) das Fleisch waschen und trocken tupfen, großzügig pfeffern und salzen. Die Zwiebeln in grob schneiden – gerne auch würzen. Dann werden die Koteletten, einzeln in reichlich Zwiebeln gebettet und zugedeckt, in eine Lage Backpapier eingeschlagen. Dieses Päckchen wird dann wiederum in drei Lagen Zeitungspapier eingeschlagen und mit etwas Draht verschlossen. Am kalten Samstag werden die Päckchen dann kurz bevor sie in der Glut vergraben werden noch unbedingt in einem Eimer mit reichlich Wasser getränkt. So werden sie dann für 75 Minuten tief in der Glut versenkt. Dann nur noch die Päckchen aus der Glut entnehmen, das Feuer wieder neu zusammenschieben, die Pakete auspacken und mit Senf und Brot genießen. Guten Appetit.

Bewertung des kalten Samstag:

Das Fleisch mit den Zwiebeln war ohne Frage saftig und echt lecker. Erstaunlich ist, wie trotz der enormen Hitze, des Fleisch keine Röstaromen entwickelt, sondern tatsächlich nur im Zwiebelbett gedünstet wird. Aber man sollte das „Braten der Koteletten“ nicht nur auf die Zubereitung und Verköstigung von Schweinefleisch reduziert betrachten. Denn alleine dafür ein so enormes Feuer zu machen könnte ohne Zweifel als unangemessen betrachtet werden. Das „Braten der Koteletten“ am kalten Samstag ist aber ein ganztägiger weltklasse 1A Premium-Brauch für die ganze Familie, das halbe Dorf, für Jung und Alt. Und bei Wind und Wetter einen ganzen Tag mit seinen Besten im Wald zu verbringen, Feuer machen, Holz suchen, dies und das Essen (das Schweizer Fondue war der Hammer!), frieren im Wald, schwitzen am Feuer, müde sein, hungrig sein und dann ein ein Kotelett aus der Glut ziehen zu können ist nicht zu überbieten, unglaublich lecker und würde ohne ein anständiges Lagerfeuer niemals funktionieren.

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